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von | Nov 5, 2020 | Uncategorized | 0 Kommentare

Warum sind die Wartezeiten auf Psychotherapien so lang?

– Eine Recherche-

 

 

Laut FOCUS-Online Autorin Petra Apfel betrage die Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz aktuell „im Durchschnitt 20 Wochen“. In Großstädten sei die Wartezeit kürzer als in ländlichen Regionen.

 

Warum sind die Wartezeiten auf einen Therapieplatz so lang?

Veraltete Bedarfsplanung

Fakt ist, es gebe genug Therapeuten, es gibt aber nicht genug Kassenzulassungen. Laut Apfel entscheide der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen (GBA) darüber, wie viele Psychotherapeuten sich in einer Praxis niederlassen dürfen (dafür wird der Kassensitz benötigt). Dessen „Bedarfsplanung“ stamme jedoch aus dem Jahr 1999.

Die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie e.V., kurz DGVT, erklärt, dass 1999 die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten gegründet wurde, um die „Absicherung der beruflichen Stellung von Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten“ zu erreichen. In diesem Zuge sei geregelt worden, welche Voraussetzungen für das Erreichen einer einheitlichen „Approbation“ erfüllt werden müssen, um in diesem Heilberuf tätig sein zu dürfen.

In einem Artikel von Angelika Völkel mit dem Titel „Kassensitze als Handelsware“ erklärt Niklas Lottes, der eine Petition für die gerechtere Vergabe von Kassensitzen ins Leben gerufen hat, dass an der Vergabe der Kassensitze seit 1999 nichts geändert worden sei. „Wie viele Psychotherapeut:innen welche Region braucht, das wurde damals von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in der Bedarfsplanung für ganz Deutschland festgelegt und die Anzahl der Sitze auf die Anzahl der damals existierenden Psychotherapeut:innen begrenzt. Jeder Psychotherapeut erhielt kostenfrei einen Kassensitz.“

Die Bedarfsplanung, auf die bis heute zurückgegriffen wird, war allerdings bereits 1999 fehlerhaft: In einem Interview des Berufsverbands Psychosozialer Berufe (DGVT-BV) mit Prof. Jürgen Wasem erklärt dieser wieso.

Die Bedarfszahlen seien zu einem Zeitpunkt festgelegt worden, zu demnoch gar nicht alle „übergangsgeregelten“ PsychotherapeutInnen die Formalitäten der Approbation und der Zulassung hinter sich“ gehabt hätten. Zudem sei „Die zentrale Hypothese des Modells der Bedarfsplanung, dass die Anzahl der Niedergelassenen (Ist-Zahl) etwas mit der angemessenen Bedarfsdeckung („Soll“) zu tun haben könnte“ für den Bereich der psychotherapeutischen Versorgung nicht zutreffend. Herr Wasem erklärt, dass das Psychotherapeutengesetz verabschiedet worden sei WEIL der „Bedarf für ambulante PsychotherapeutInnen bei weitem nicht gedeckt“ gewesen sei. Das heißt, es habe bereits damals eine Unterversorgung gegeben.

Nun ist es laut Lottes so, dass seitdem dennoch von „Vollversorgung“ gesprochen werde, wenn alle Sitze in einem Gebiet vergeben seien. Demnach gelten fast alle Bereiche Deutschlands als voll- oder sogar überversorgt. Hierbei werde jedoch nicht ermittelt, wie viele Patienten/innen tatsächlich einen Therapieplatz benötigen.

Herr Wasem erklärt, dass die Durchführung epidemiologischer Studien erforderlich seien, um den tatsächlichen Bedarf zu ermitteln.

Fakten, die einen Therapeutenmagel in der Praxis belegen

Anna Parrisius, Volontärin in der Innenpolitik / Axel-Springer-Academy of Journalism and Technology schreibt in ihrem Artikel „Verstärkt Hilferufe von Menschen, die verzweifelt auf der Suche sind“ von 2021, dass bereits vor der Pandemie 1700 Kassensitze für Psychotherapeuten fehlten und von den Ende 2020 rund 28.000 Psychologischen Psychotherapeuten mit Kassensitz fast 15.000 nur einen halben Kassensitz gehabt hätten.

Obwohl auch ein Gutachten des Gemeinsamen Bundesauschusses (GBA) laut Lottes zu dem Schluss kam, dass mindestens weitere 1.600 Psychotherapeuten zugelassen werden müssten um den Bedarf annähernd zu decken und die Wartezeiten für sich sprechen, argumentiert der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) laut Parrisius, dass „Wir finden, dass die Versorgung mit psychotherapeutischen Leistungen…in Deutschland im internationalen Vergleich hinsichtlich des Umfangs und der Qualität der Versorgung sowie der Dichte an Psychotherapeutinnen und -therapeuten…eine Spitzenposition einnimmt“. Man sehe auch nicht, dass der Bedarf in der Pandemie gestiegen sei.

Darauf beruft sich auch A. Stapper vom Bundesministerium für Gesundheit in einer E-Mail an mich. Ich hatte mich an das Ministerium für Gesundheit gewandt, um auf das Systemversagen in der Psychotherapie aufmerksam zu machen. Stapper schreibt, dass „die Fachgruppe der Psychotherapeuten derzeit nach den Hausärztinnen und Hausärzten die zweitgrößte Fachgruppe in Deutschland“ sei. Zudem sei ein „dynamisches Wachstum“ bei meiner Berufsgruppe zu verzeichnen, da die Teilnahme an der psychotherapeutischen Versorgung von 2013 bis 2019 von 25.622 auf 37.481 gestiegen sei. Der Anstieg bei den Psychologischen Psychotherapeuten habe von 2013 bis 2021 56% betragen.

Der Gesetzgeber hat mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) von 2017 versucht die Wartezeiten auf einen Therapieplatz zu verkürzen (s. Apfel „Schwer krank und allein gelassen: Therapeutenmangel gefährdet Menschenleben“). In diesem Gesetz sei die Sprechstunde ins Leben gerufen worden- der Patient habe damit Anspruch auf eine kurzfristige psychotherapeutische Sprechstunde, die er bis zu drei Mal (à 50min) pro Krankheitsfall in Anspruch nehme könne. Zudem verfüge jede Krankenkasse über eine Termin-Servicestelle (TSS), die bei der Vermittlung behilflich sei.

Laut Stapper vom Ministerium für Gesundheit dürfe die Wartezeit auf eine Sprechstunde 4 Wochen nicht überschreiten. „Die sich wiederum, aus diesem Gespräch ergebenden, zeitnah erforderlichen Behandlungstermine können ebenfalls durch die TSS vermittelt werden“. In dieser Sprechstunde soll eine Diagnose gestellt und eine Beratung bzgl. weiterer Therapie stattfinden- einen Therapieplatz hat man damit noch nicht. Das heißt, laut Apfel, wenn eine Psychotherapie ratsam aber keine akute Gefährdung bestehe beginne oft eine monatelange Wartezeit auf einen freien Therapieplatz. Dem gegenüber steht die Stellungnahme von Stapper, dass eine psychotherapeutische Akutbehandlung innerhalb von 2 Wochen beginnen müsse. Sollte keine ambulante Behandlung möglich sein, werde eine stationäre in die Wege geleitet.

An dieser Stelle kann ich aus persönlicher Erfahrung sagen, dass die meisten Patienten/innen, die mich kontaktieren nichts von der TSS wissen. Zudem berichten Patienten sehr oft, dass sie bereits die Sprechstunden ausgereizt hätten und nun endlich auf einen Therapieplatz warteten.

Sollte ein Patient keinen Therapeuten mit Kassensitz in einer zumutbaren Zeit finden, so kann er sich auch in einer Privatpraxis behandeln lassen und sich die Kosten von seiner KK erstatten lassen. Das sogenannte Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Absatz 3 SGB V sieht dies in der Theorie so vor, in der Praxis werden den Patienten oft Steine in den Weg gelegt. Aus eigener Erfahrung haben mir Krankenkassen auf Nachfrage am Telefon gesagt, dass es diese Möglichkeit nicht gebe. Bei einer Patientin wurde uns telefonisch die Kostenzusage erteilt, nach der Beantragung der Psychotherapie wurden jedoch nur die Hälfte der Kosten erstattet (der einfache Satz nach GOP). Erst nach Einschalten einer Anwältin wurde die volle Kostenzusage erteilt, obwohl die Patientin alle Voraussetzungen (mind. 5 Absagen von niedergelassenen Therapeuten, Bescheinigung vom Hausarzt über dringende Indikation einer Psychotherapie, Bescheinigung von mir, dass ich die Therapie zeitnah durchführen kann) erfüllt hatte. Auch das Bundesministerium für Gesundheit verweist darauf, dass Patienten den Rechtsweg beschreiten sollten, wenn Krankenkassen sich rechtswidrig verhalten.

Dass der Bedarf unterschätzt wird ist ein altes Problem- das zeigt auch ein Artikel von Petra Bühring aus dem Jahr 2011. In ihrem Artikel „Psychotherapie: Bedarf an Therapieplätzen wird unterschätzt“, der im deutschen Ärzteblatt bereits 2011 veröffentlicht wurde. Die Wartezeit auf einen Therapieplatz sollte laut Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) drei Wochen nicht überschreiten, die extrem langen Wartezeiten in der Praxis seien unzumutbar laut BPtK-Präsidenten Prof. Dr. Rainer Richter. Bühring zitiert Richter, der sagt, dass in Deutschland jährlich ca. 5 Millionen Menschen schwer psychisch erkranken und behandlungsbedürftig werden und demgegenüber nur ca. 1,5 Millionen Behandlungsplätze ambulant zur Verfügung stünden.

Stimmen aus der Praxis

Psychotherapeuten/innen bekommen den Mangel an Therapeuten jeden Tag mit. Petra Apfel zitiert einen jungen Psychotherapeuten aus Eberswalde, der sagt er bekomme „jeden Morgen bis zu zehn Anrufe von Hilfesuchenden auf dem Anrufbeantworter.“ Er beschreibt, dass er das Band manchmal am liebsten gar nicht mehr abhören möchte, weil er den meisten eh nicht helfen könne.

Anna Parrisius beschreibt in ihrem Artiekl, dass besonders in der Pandemie viele auf der Suche nach einem Therapieplatz an langen Wartezeiten scheiterten. Sie macht besonders auf die prekäre Lage von Jugendlichen aufmerksam, die nachweislich sehr unter der Pandemie gelitten haben. (s. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/ 132972/Immer-mehr-Jugendliche-laut-KKH-psychisch-krank#:~:text=In%20dieser%20Altersgruppe%20sei%20im,sondern%20bereits%20seit%20Jahren%20zun%C3%A4hmen.

Frau Parrisius interviewte eine junge Mutter von Zwillingen in der Grundschule, die vergeblich einen Psychotherapeuten gesucht habe. Sie habe „alle Hebel in Bewegung gesetzt, an die 20 Therapeuten …angerufen“, ohne Erfolg. Laut einer Umfrage der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung sei die Nachfrage nach Psychotherapie in der Pandemie um 40% gestiegen. Auch Benedikt Waldherr, Vorsitzender des Bundesverbandes der Vertragspsychotherapeuten und seit 35 Jahren als Verhaltenstherapeut tätig erlebt einen enormen Andrang. Auch ehemalige Patienten/innen meldeten sich vermehrt bei ihm mit Ängsten und Depressionen. Dies bestätigt auch die Deutsche Depressionsliga, laut Parrisius, und bemängele, dass gerade schwer depressive Patienten/innen oft nicht mehr die Kraft hätten sich den Hürden der Therapieplatzsuche zu stellen.

Auch für junge Psychotherapeuten/innen ist der Mangel an Kassensitzen ein Problem. So beschreibt Angelika Völkel in ihrem Artikel „Kassensitze als Mangelware“ auch, dass junge Psychotherapeuten hohe Summen bezahlten, um einen Kassensitz von einem Vorgänger abzukaufen. Laut Niklas Lottes belaufe sich der Preis oft auf 100.00€ und mehr, je nach Region. Jens Lubbadeh von Spiegel Online gibt die Zahlen in seinem Artikel „Psychologen-Mangel in Deutschland: Therapeut verzweifelt gesucht“ mit durchschnittlich 20.000-50.000€ an.  Mit diesem Preis erkaufe man sich lediglich die Berechtigung mit der Krankenkasse abzurechnen, da die Übernahme einer Praxis oder eines Patientenstammes bei Therapeuten so wie keine Rolle spiele.

Resumé

Aufgrund einer nicht praxisnahen Berechnung des Bedarfs an Psychotherapeuten erzeugen wir in Deutschland seit über 20 Jahren einen künstlichen Therapeutenmangel, dem gegenüber gut ausgebildete Psychotherapeuten stehen, die gerne in der Praxis arbeiten würden, aber entweder keinen Kassensitz bekommen oder sich keinen leisten können/wollen.

Die Pandemie hat für eine Verschärfung dieser Lage gesorgt, da der Bedarf nochmal mehr gestiegen ist.

Die nicht zeitnahe Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen führt nicht nur zu einer Chronifizierung der Erkrankung (die wie wir wissen mit einer längeren Therapiedauer einhergeht), sondern auch zu erheblichen Mehrkosten für unser Gesundheitssystem durch Krankengelder bei langer Arbeitsunfähigkeit aufgrund von psychischen Erkrankungen. So resümiert Apfel, dass die Kassen 2017 drei Milliarden Euro Krankengeld aufgrund psychischer Erkrankungen ausgegeben hätten, die Mehrkosten für zusätzliche Psychotherapeuten sich jedoch nur auf 150 Millionen Euro belaufen hätten.

In seiner Petition für einen fairere Vergabe von Kassensitzen fordert Lottes, dass jeder Psychotherapeut/in nur einen Kassensitz bekommt, die Preise für Kassensitze endlich gedeckelt werden und neue Kassensitze geschaffen werden sollen.

Wenn alle Sitze voll ausgereizt würden, würde das sicherlich auch helfen den Bedarf besser zu decken.

 

Literaturverzeichnis

  • Bührung, Petra (2011). Psychotherapie: Bedarf an Therapieplätzen wird unterschätzt. Dtsch Ärztebl 2011; 108(8):A-361 / B-293 / C-293

https://www.aerzteblatt.de/archiv/81029/Psychotherapie-Bedarf-an-Therapieplaetzen-wird-unterschaetzt

  • Lubbadeh, Jens (2012). Psychologen-Mangel in Deutschland. Therapeut verzweifelt gesucht.

https://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/psychotherapie-warum-es-zu-wenige-psychologen-in-deutschland-gibt-a-820748.html

  • Parrisius, Anna (2021). Deutschland. Fehlende Therapieplätze. „Verstärkt Hilferuf von Menschen, die verzweifelt auf der Suche sind“.

https://www.welt.de/politik/deutschland/article235821342/Psychische-Belastung-Meine-Toechter-brauchen-jetzt-Hilfe-doch-ein-Therapieplatz-fehlt.html

  • Wasim, Jürgen. Die Zukunft der Bedarfsplanung-Über den Tag hinaus gedacht…

https://www.dgvt.de/aktuelles/details/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=3242&cHash=b267ce0bda0ac343de61d0379016fb2e

  • Völkel, Angelika (2022). Kassensitze als Handelsware?

https://www.therapie.de/aktuell/artikel/handelsware-kassensitze/

 

 

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